Die Domestikation des Wolfes

Was unterscheidet das Verhalten von Wild- und Haustieren?

 

 

Der Biologe Dirk Roos fesselte zahlreiche interessierte Zuhörer im Naturschutzzentrum Westerwald, Holler mit seinem facettenreichen Vortrag. Der wissenschaftliche Leiter der Eberhard-Trumler-Station in Birken- Honigessen, der europaweit einzigen haustierbiologischen Forschungsstation  erforscht das tierische Verhalten in naturnahen Gehegen und zählt zu den renommierten Fachleuten für Verhaltensbeobachtungen. 

 

Kennen Sie zahme Wildschweine, Wölfe oder Füchse? Das Zähmen von Wildtieren  gelingt insbesondere, wenn man die Tiere handaufzieht. Dann wird der Mensch durch das Prägungslernen  des Jungtieres zum oft alleinigen Sozialpartner, mit allen Chancen und Risiken. Sozialpartner von Tieren bedeutet, dass man Kuschelpartner aber auch Konkurrent sein kann, je nachdem in welcher Phase sich das Tier befindet. Oft bewundern wir solche Partnerschaft, denken wir an „Siegfried und Roy“, manchmal sind sie gefährlich. Wenn die Rehböcke, die mit der Flasche aufgezogen wurden in die erste Brunft kommen, sind sie „Spießer“, sie tragen zwei gerade Stangen als Geweih. Beginnt er mit dem Menschen zu kämpfen, wie mit seiner tierischen Konkurrenz, wird`s schnell brenzlig. Solche Missverständnisse „tierischer Nähe zum Menschen“ sollten bei Begegnungen mit handaufgezogenen oder angefütterten Wölfen bedacht werden.  Roos ist besorgt, weil man in Europa anfängt, Wölfe anzufüttern. Das geschah auch auf einem Truppenübungsplatz bei Neumünster. Der Beutegreifer lernt Menschen dann als eine freundliche und bequeme zu erreichende Futterquellen kennen  und versucht diese zunehmend zu nutzen. In früheren Zeiten, als Wölfe noch vergrämt und gejagt wurden, lernten die neugierigen Jungwölfe die Menschen zu fürchten und mieden zukünftig die Nähe. Durch ihr umsichtiges Verhalten gelang es nicht, sie in Europa vollständig auszurotten.

 

Zu den Haustieren zählen die Nutztiere  . Unter den  5000 bis 6 500 Säugetierarten gibt es weltweit nur  14 große Nutztierarten. 

 Manche Tierarten lassen sich einfangen, zähmen, bringen Nutzen für den Menschen, wie z.B. die Arbeitselefanten. Zahlreiche Wildtiere folgen Menschen in die Städte(Kulturfolger). Deshalb sind  Städte oft artenreicher als die ländliche Umgebung. Der prächtige Weißkopfseeadlers z.B. ist mit 20 Brutpaaren in der Stadt Vancouver ansässig, auch weil er auf den Müllplätzen Futter findet(Kommensale). Trotz der vertrauten Nähe zum Menschen  wurden aus Wildelefanten und Adlern keine Haustiere.

Was ist der Grund dafür? Wildtiere haben Probleme in der Gefangenschaft. Der große negative Stress belastet sie stark (Stichwort: Reizüberflutung). Damit wird die Fortpflanzung bzw. spätere planmäßige Züchtung unmöglich, die bei Haustieren, wie Hunden, zur Ausbildung verschiedener Rassen geführt hat. Wildtiere haben bessere Sinnesleistungen als Haustiere, deshalb nehmen sie viel mehr Reize aus der Umgebung wahr. Dazu kommt ein größeres Gehirn (im Verhältnis zur Körpergröße, also relative Gehirngröße).  Beispiele zeigen Vergleiche von Haus- mit Wildschweinen. Die Sinneseindrücke werden viel schneller verarbeitet, eine Reaktion erfolgt zügig und drastisch, meist indem das Tier zurückschreckt. In Gefangenschaft leben die Tiere zudem oft dicht beisammen in einer fremden Umgebung. Die Reizüberflutung sorgt für Disstress, dem die Tiere nicht ausweichen können. Das Hormon- und Nervensystem schaltet auf Dauerstress, das bedeutet oft Unfruchtbarkeit, Krankheit bis zum Tod - Züchten wird unmöglich.

Übrigens, farbveränderte, z.B. weiße Exemplare sind friedlicher. Die Entwicklung des Wolfes zum Haustier vor 15.000 Jahren begann vermutlich mit gelblichen bzw. rötlichen Wölfen während der Eiszeit. Das  Gen, das die Farbbildung im Fell verändert  ist auch für eine veränderte  Produktion von Hormonen verantwortlich, die das Verhalten verändern. Das Verhalten moderner Wölfe unterscheidet sich stark von dem der Hunde, auch wenn in jedem Hund die wölfischen Erbanlagen weiterleben. Durch die enge Verwandtschaft sind Mischlinge möglich. Sie sind weniger an das Leben in der Natur angepasst und suchen daher eher die Nähe des Menschen, was sie gefährlicher macht. Moderne Wölfe zeigen weniger Widerstandsvermögen gegen den Dauerstress, wenn sie in enger Gefangenschaft oder mit Menschen leben. Die Evolution hat Hund und Wolf in diesem Punkt weit getrennt. Die Haltung des Wildhundes Wolf im Hausstand  ist nicht  erstrebenswert.

 

Danke an Dirk Roos für den detailreichen, interessanten Vortrag, von dem der Kurzbericht nur wenige zusammenfassende Einblicke bieten kann.